Quelltext der Seite Verein Studierender Esten

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[[Datei:Eesti Üliõpilaste Seltsi vilistlaspäev 2018.jpg|mini|2018]]
Der '''Verein Studierender Esten''' ([[Estnische Sprache|estnisch]] ''Eesti Üliõpilaste Selts<ref>[[Ernst Hans Eberhard]]: ''Handbuch des studentischen Verbindungswesens.'' Leipzig, 1924/25, S. 200.</ref> – EÜS'', [[Lateinische Sprache|lateinisch]] ''Societas Studiosorum Estonorum'') ist die älteste, bedeutendste und größte [[Esten| estnische]] Studentenverbindung. Bis 1936 stand sie nur Studierenden der [[Universität Tartu]] offen. Heute können alle estnischen Studenten Mitglied werden. Die Mitgliedschaft wird auf Lebenszeit verliehen.

== Geschichte ==
[[Datei:Building of Estonian Students' Society.jpg|mini|[[Korporationshaus]] des EÜS]]
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts blieb das Studium an den Universitäten in [[Estland]] und [[Livland]] größtenteils ein Privileg der [[Deutsch-Balten]]. Die [[Deutsch-Baltische Studentenverbindungen| Deutsch-Baltischen Studentenverbindungen]] spielten eine bedeutende Rolle im akademischen Leben des [[Baltikum]]s, besonders an der seit der Wiedergründung 1802 deutschsprachigen Universität Dorpat. Erst mit dem entstehenden [[Nationalbewusstsein]] der Esten im 19. Jahrhundert und der Hebung des Bildungsstands der einheimischen estnischen Bevölkerung studierten Esten in Tartu. Sie strebten eigene Studentenorganisationen auf ethnischer Grundlage an.

Der Vorläufer des Vereins Studierender Esten wurde am {{JULGREGDATUM|7|4|1870}} in [[Tartu]] als loser Freundschaftskreis gegründet. Gründungsmitglieder waren acht estnische Studenten und Tartuer Intellektuelle, unter anderem [[Andreas Kurrikoff]], Heinrich Rosenthal, [[Hugo Treffner]] und [[Johann Voldemar Jannsen]]. Unter dem Titel „Kalevipoeg-Abend “beschloss die Gruppe, einmal pro Woche zusammenzukommen, um das estnische [[Nationalepos]] [[Kalevipoeg]] zu lesen und sich mit [[Geschichte Estlands|estnischer Geschichte]], Kultur und [[Estnische Sprache|Sprache]] zu beschäftigen.

1873 gaben sich die Mitglieder unter dem Namen ''Vironia''<ref>''Vironia'' ist der lateinische Name des nordestnischen [[Virumaa|Wierland]]</ref> ein festes Vereinsstatut. Erster Vorsitzender des Vereins wurde Andreas Kurrikoff. Am {{JULGREGDATUM|4|6|1881}} wurde auf der Basis des Vereins die Gründung der estnischen [[Studentenverbindung|Korporation]] ''Vironia'' beschlossen. Die Esten strebten die Anerkennung durch den deutschen Dachverband ''Chargiertenconvent'' (Ch!C!)<ref>siehe [[Charge (Studentenverbindung)]]</ref> an, was allerdings auf den Widerstand der [[Baltische Studentenverbindung|deutschbaltischen Korporationen]] traf. Ein Jahr später nahm ''Vironia'' daher Abstand von der offiziellen Anerkennung als Korporation.

1883 ließ der damalige Rektor der [[Universität Tartu]], [[Eduard Georg von Wahl]] (1833–1890), den Verein Studierender Esten unter seinem heutigen Namen offiziell als wissenschaftlich-kulturelle Gesellschaft eintragen. Der Verein wurde immer mehr zum Kristallisationspunkt der estnischstämmigen Studenten im Baltikum. Allerdings durften die [[Couleur|Farben]] des Vereins nicht öffentlich getragen werden.

Am 4. Juni 1884 wurde die offizielle blau-schwarz-weiße Fahne des Vereins (die spätere [[Flagge Estlands]]) feierlich im Pastoratssaal der evangelisch-lutherischen Kirche von [[Otepää]] geweiht. Seit 1884 existiert auch der [[Philister (Studentenverbindung)|Philisterverband]] des Vereins Studierender Esten.

Auch nach der Gründung weiterer Organisationen estnischer Studenten (''Põhjala'' 1884 in [[Sankt Petersburg]], Korporation ''Vironia'' 1900 in [[Riga]], Korporation ''Fraternitas Estica'' 1907 in Tartu) blieb der EÜS die bedeutendste Studentenorganisation in Estland und Nordlivland. 1902 wurde das Vereinshaus in Tartu fertiggestellt.

=== Estnische Unabhängigkeit ===
{{Hauptartikel|Liste der Universitäten in Estland}}
Mit der Ausrufung der estnischen Unabhängigkeit im Februar 1918 blieb der Verein ein Sammelpunkt patriotisch gesinnter estnischer Studenten und Philister. Die Farben des Vereins Studierender Esten wurden zur estnischen Nationalflagge erklärt. Am 24. November 1918 beschlossen die Mitglieder, „in corpore “am [[Estnischer Freiheitskrieg|estnischen Freiheitskrieg]] gegen [[Sowjetrussland]] teilzunehmen.

Ab 1921 ging die Tätigkeit des Vereins über Tartu hinaus. Er war in ganz Estland aktiv und auch in der Hauptstadt [[Tallinn]] vertreten. Eine Vereinigung aller estnischer Studenten in den EÜS strebte der Verein allerdings zu keiner Zeit an. Der Pluralismus der Studentenorganisationen in Estland blieb erhalten. Der EÜS spielte dennoch die wichtigste Rolle bei der Verzahnung des akademischen Nachwuchses mit der jungen Republik Estland. Die Mitglieder des Vereins hatte wichtige Posten in Staat, Verwaltung und Wirtschaftsleben inne.

=== Verbot ===
Mit der [[Sowjetunion|sowjetischen]] Besetzung Estlands wurde der Verein Studierender Esten – wie die Tätigkeit aller studentischen Organisationen in Estland – am 29. Juli 1940 verboten. Seine Mitglieder wurden teilweise von den sowjetischen Behörden verfolgt und setzten die Tätigkeit im Untergrund und im westeuropäischen oder amerikanischen Exil fort.

{{Siehe auch|Geschichte Estlands#Die erste sowjetische Okkupation von 1940/41}}

=== Wiedergründung ===
Am 1. Dezember 1988 beschloss eine Versammlung in Tartu, die Aktivitäten des Vereins wieder offiziell in Estland aufzunehmen. 1991 gab die Universität Tartu ''de jure'' das von den Sowjets enteignete Vereinshaus an den EÜS zurück. Am 24. Februar 1992 wurde dem EÜS die Originalfahne von 1884 rückübereignet. Im Juli 2009 fand in Tallinn, Tartu und Otepää ein globales Treffen der Mitglieder statt.

== Würdigung ==
Der Verein Studierender Esten spielte im 19. Jahrhundert eine wesentliche Rolle bei der Herausbildung eines estnischen Nationalbewusstseins und dessen Verankerung unter den wenigen estnischen Akademikern der damaligen Zeit. Nicht ohne Grund ist die blau-schwarz-weiße Trikolore des EÜS seit 1918 die Staatsflagge der Republik Estland. Mit der staatlichen Unabhängigkeit Estlands 1918 wurde der Verein Studierender Esten zu einem einflussreichen Netzwerk national gesinnter und staatstragender Studenten, Professoren und Intellektuellen. Der Verein hat diese Stellung bis heute bewahrt.

== Couleur ==
Burschen und Alte Herren tragen einen baltischen [[Couleur#Die Kopfbedeckung|Deckel]] mit den Farben Blau-Schwarz-Weiß, der mit einem [[Baltenstern]] bestickt ist. Junge Mitglieder (d. h. [[Fuchs (Studentenverbindung)|Füchse]]) tragen einen blauen Deckel mit Baltenstern. Burschen und Alte Herren tragen Bänder mit den Farben Blau-Schwarz-Weiß ohne Perkussion. Dazu werden noch Wappenringe getragen.

== Mitglieder ==
[[Datei:Ilves, Silvia (Dorpat 2007).jpg| [[Toomas Hendrik Ilves]] und [[Silvia von Schweden]] in [[Tartu]] (2007)|mini]]
* [[Jakob Hurt]] (1839–1907), Theologe, Volkskundler und Sprachwissenschaftler
* [[Gustav Ränk]] (1902–1998), Ethnologe
* [[Toomas Hendrik Ilves]] (* 1953), 2006–2016 Staatspräsident Estlands
* [[Indrek Tarand]] (* 1964), Politiker und Journalist
* [[Mart Laar]] (* 1960), Historiker und Politiker; Ministerpräsident und Verteidigungsminister Estlands

== Literatur ==
* Kõpp, Johan: ''Eesti Üliõpilaste Seltsi Ajalugu 1870–1905.'' Tartu 1925.
* Heinrich Kolussi: Vo''m Sowjetstern zum Burschenband. Studentische Korporationen im Osten vor und nach der „Wende “''. [[Verein für corpsstudentische Geschichtsforschung|Einst und Jetzt]], Bd. 46 (2001), S. 329–342.
* ''Vivat Academia. Üliõpilasseltsid ja -korporatsioonid Eestis.'' Tallinn 2007, ISBN 978-9985-9022-5-7.

== Weblinks ==
{{Commonscat|Estonian Students' Society|Verein Studierender Esten}}
* [http:// eys.ee/deeys.htm Verein Studierender Esten] (estnisch, deutsch, englisch)
* [http:// faz.net/aktuell/politik/baltischer-voelkerkommers-ex-est-schmollis-fiduzit-1542117.html Ex est! Schmollis! Fiduzit!] ([[Frankfurter Allgemeine Zeitung]], 16. Juni 2008, abgerufen am 26. August 2012)

== Anmerkungen und Einzelnachweise ==
<references />

{{Normdaten|TYP=k|GND=5005774-1|LCCN=n/80/144966|VIAF=148926335}}

[[Kategorie:Universität Tartu]]
[[Kategorie:Studentenverbindung (Estland)]]
[[Kategorie:Vereinsgründung 1870]]